Der Maya-Zug

Die Deutsche Bahn und der „Maya-Zug“

Die Deutsche Bahn hat sich ein grünes Umwelt-Label verpasst. Gleichzeitig beteiligt sie sich in Mexiko an der Abholzung von 600 ha Regenwald. Welcome to Greenwashing!
Aus Zugstolz wird Zugscham

„Zugstolz oder Flugscham?“ Diese Frage müssen alle Gäste des in Deutschland beliebten Podcasts der ‚Zeit‘ „Alles gesagt?“ beantworten. In den meisten Fällen lautet die Antwort: ZUGSTOLZ. Bei dem ein oder anderen Gast ist der Stolz dabei durchaus aus der Stimme herauszuhören, gilt doch die Deutsche Bahn in Deutschland als das ökologische Verkehrsmittel – als umweltfreundliche Alternative zum Pkw oder dem Flugzeug. Wer Zug fährt, der hilft bei der generationenübergreifenden Aufgabe, die Welt vor dem Klimawandel zu retten. Etwas Stolz kann da schon angebracht sein.

Wäre da nicht der Blick über die deutschen Landesgrenzen hinaus: Würde „Alles gesagt?“ beispielsweise in Mexiko produziert werden, müsste die eingangs gestellte Frage wohl eher „Flugstolz oder Zugscham“ heißen, denn: In Mexiko beteiligt sich die Deutsche Bahn an der Zerstörung des Regenwaldes. Praktisch als Ausgleich für den in Deutschland gelebten und promoteten Natur- und Klimaschutz.

Bahn-Werbung: Nachhaltigkeit oder Greenwashing?
Der Maya-Zug: Neokolonialistisches Großprojekt

Hintergrund ist die Beteiligung der DB Engineering & Consulting GmbH, einem Tochterunternehmen der Deutschen Bahn, an der Realisierung eines hoch umstrittenen Projekts des mexikanischen Präsidenten Andrés Manuel López Obrador: dem “Maya-Zug”. Dieser soll es jährlich ca. drei Millionen Tourist:innen ermöglichen, per Tagesausflug von den Karibikstränden Yucatatáns aus, die Mayastätten an der Grenze zu Guatemala zu besuchen.

Das Projekt: „Tren Maya“

  • Projektziel: touristische Erschließung der Maya-Stätten für Tagesausflüge durch Verbindung der Bundesstaaten Chiapas, Yucatán, Campeche, Quintana Roo und Tabasco.
  • Projektgröße: 1.500 km Schienennetz + Autobahn- und Tourismusinfrastruktur
  • Entstehung von mehr als 80.000 Arbeitsplätzen
  • Zeitplan: Ab 2024 soll der „Maya-Tren“ Tourist:innen befördern. Mit dem Bau wurde streckenweise bereits 2020 begonnen
Quelle: FAZ
Quelle: Monde Diplomatique

Kritik am Projekt:

  • Der Streckenverlauf: Dieser führt durch 23 Naturschutzgebiete hindurch und an Ausgrabungsstätten der teilweise UNESCO-geschützten Maya-Kultur,, vorbei.1
  • Die Abholzung von 600 Hektar Regenwald ist dafür erforderlich.2 Für knapp 100 m breite Schneisen mitten im Urwald wurden bereits mehr als 9 Millionen Bäume abgeholzt – mit vorläufiger Genehmigung.3 Dadurch droht die Zerstörung von Ökosystemen in der nach dem Amazonas-Gebiet zweitgrößten Lunge des Kontinents.
  • Durch den Tourismus-Boom wird eine Verschärfung der Wasserknappheit erwartet, mit der kleinere Dörfer bereits jetzt zu kämpfen haben. Befürchtet wird, dass im Zweifel die Hotels mit Trinkwasser versorgt werden – auf Kosten der einheimischen Bevölkerung.4
  • Es ist keine hinreichende Beteiligung von Fachbehörden erfolgt. Indigene Rechte werden missachtet. Stattdessen werden Anwohner:innen teilweise mit Waffengewalt bedroht.5
  • Auch die Namensgebung und das Design der Logos erfolgten ohne Beteiligung oder Rücksprache mit den Mayas oder indigenen Vertreterni. So werden insbesondere. touristische Vorurteile bedient, die nichts mit indigenen Symbolen zu tun haben.6

Und die Deutsche Bahn? Die berät nach eigener Auskunft die FONATUR (Fondo Nacional de Fomento al Turismo) des mexikanischen Ministeriums für Tourismus zu eisenbahnbetrieblichen Entscheidungen innerhalb des Projekts. Bis Ende 2023 erhält sie dafür 8,6 Millionen Euro.7

“Unsere” wichtigste Motivation: Greenwashing

Egal wie man zu dem Projekt „Tren Maya“ stehen mag – ob man die erhofften Vorteile für den Tourismus oder die Bedrohung für die Umwelt, die Natur und die Maya-Kultur in den Vordergrund der eigenen Entscheidungsfindung stellt – eines steht fest: Mit der Beteiligung der DB Engineering & Consulting GmbH als sogenannter Shadow Operator für den Betriebsablauf des Tren Maya konterkariert die Deutsche Bahn ihre in Deutschland gelebte Umweltkampagne. Glaubwürdiger Natur- und Klimaschutz sieht anders aus – da können noch so viele Werbefotos auf großen Plakatwänden deutschlandweit den Zusammenhang zwischen der Deutschen Bahn und dem Erhalt der Umwelt suggerieren. 

Das Stichwort lautet auch hier: Greenwashing. Denn wie passt es zusammen, in Deutschland die Natur als Antrieb, sogar “Auftraggeber” des eigenen Geschäftsmodells zu preisen, dann im Ausland aber offensichtlich der Natur zuwider die Rodung des Regenwaldes zu unterstützen? 

Noch kein Instrument gegen Greenwashing?

Eine wirkliche Antwort auf diese Frage wurde noch nicht gefunden – weder von NGOs, noch von Politiker:innen. Und so lautet der unbefriedigende Status quo: Das Problem ist bekannt, aber die Handhabung fehlt.

Fatal ist das –  löst man sich einmal von dem Horrorszenario in Mexiko – vor allem für die Kund:innen der Deutschen Bahn in Deutschland: Denen fehlt schlicht die Möglichkeit, Druck auf die Deutsche Bahn auszuüben. Bekannte Mechanismen aus der freien Wirtschaft, die Konsumierenden zumindest den Anschein von Macht und Einflussmöglichkeit geben, greifen bei der Deutschen Bahn nicht. Ein Wechsel zur Konkurrenz oder ein Boykott sind nicht möglich. Zumindest dann nicht, wenn durch die Inanspruchnahme der Deutschen Bahn die Einsparung von CO2 verfolgt wird. Wird mit diesem Ziel beispielsweise auf das Privatauto für den Arbeitsweg verzichtet, kommt nur der Wechsel auf das Fahrrad in Betracht. Abhängig von der Wegstrecke ist für viele aber auch das keine Alternative, sodass nur die Flucht zurück zum Pkw bliebe. 

Keine schönen Alternativen. Aber Grund genug, sich über den eigenen Zugstolz Gedanken zu machen und ein Bewusstsein für Greenwashing zu entwickeln: Nicht überall wo “Grün” drauf steht, ist auch Natur-, Umwelt- und Klimaschutz oder Nachhaltigkeit drin.

Der Maya-Zug
Sokra, 2022: https://sonjakrause-malerei.de
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