Wenn das Wasser knapp wird

Der Frühling dieses Jahr war regenreich. Vielerorts schießt die Vegetation in die Höhe und ein sattes Grün umgibt uns. Wenig deutet auf Wasserknappheit hin. Doch an die letzten Dürresommer zurückdenkend drängt sich die Frage auf, inwiefern die Verfügbarkeit der kostbaren Ressource gesichert ist.

Die Erde – der blaue Planet. Mehr als zwei Drittel seiner Oberfläche sind mit Wasser bedeckt.1 Dem kühlen Nass, das Lebensgrundlage allen Lebens ist. Doch nur etwa drei Prozent der weltweiten Wasservorräte sind trinkbares Süßwasser. Diese drei Prozent verteilen sich sehr ungleich auf unserem Globus. So lebt mit einem Anteil von fast vier Milliarden Menschen beinahe die Hälfte der Weltbevölkerung in sehr wasserarmen Regionen. 2,2 Milliarden Menschen haben keinen regelmäßigen Zugang zu sauberem Wasser und etwa 785 Millionen von ihnen fehlt jegliche Wassergrundversorgung. Viele von ihnen sind gezwungen, ihre Heimat zu verlassen, um andernorts eine Lebensgrundlage zu finden.2

Die durch den Klimawandel verursachte Zunahme von Extremwetterereignissen wie Dürren und Überflutungen3 lässt die Vereinten Nationen annehmen, dass bis zum Jahr 2030 700 Millionen Menschen weltweit durch extreme Wasserknappheit vertrieben werden könnten.4

Dennoch wird laut UNO-Bericht der weltweite Wasserverbrauch bis zum Jahr 2050 ähnlich wie in den vergangenen vier Jahrzehnten jährlich um voraussichtlich circa ein Prozent steigen. Laut António Guterres, Generalsekretär der Vereinten Nationen, ginge die Menschheit blind einen gefährlichen Weg. Die nicht nachhaltige Wassernutzung, Verschmutzung und die unkontrollierte Erderwärmung saugten ihr Tropfen für Tropfen die Lebensgrundlage aus.5

Deutschland: Reich an Wasser?

Auch in Deutschland werden Dürren immer häufiger und länger. Ausgetrocknete Flüsse, Waldbrände und Ertragsausfälle für Landwirte sind in den letzten Sommern zu Alltagsbildern geworden. Der Weltklimarat IPCC mahnt, dass diese Entwicklung weiter zunehmen wird. Allen voran in den Regionen im Nordosten der Bundesrepublik, aber auch in anderen Landesteilen sollen Trockenperioden intensiver und zahlreicher werden.6

Dr. Andreas Marx, Leiter des Dürremonitors Deutschland am Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung in Leipzig, erklärt, dass es seit 2018 kontinuierlich zu wenig geregnet habe, sodass weite Landflächen von durchgehenden Dürreperioden betroffen seien. Allerdings sei nicht davon auszugehen, dass Deutschland über lange Sicht austrockne. Dürren stellten Extremwetterereignisse dar, die vorbeigingen. Jedoch müsse man sich darauf einstellen, dass mehrjährige Dürreereignisse wie wir sie nun erleben in Zukunft häufiger würden und trotz steigendem Jahresgesamtniederschlag die Böden im Sommer künftig trockener zu erwarten sind. So ergebe sich für das vergleichsweise wasserreiche Deutschland hauptsächlich ein Managementproblem: Wie das Wasser, das wir im Winter zu viel haben, im Sommer nutzbar machen?7 

Was wird getan?

Sich dieser Problematik bewusst, betreiben Städte wie Magdeburg oder Dresden schon seit Jahrzehnten Grundwasseranreicherung. Im Winter pumpen sie überflüssiges Wasser aus den umliegenden Flüssen und lassen es einige Kilometer entfernt in das Grundwasser einsickern. Darüber hinaus sind Talsperren in Deutschland kein seltenes Phänomen.8 Doch da diese punktuellen Maßnahmen nicht ausreichend sind, um langfristig ohne massive Einschnitte auf die wertvolle Ressource zugreifen zu können, hat das Bundeskabinett am 15. März dieses Jahres eine Nationale Wasserstrategie verabschiedet. Hauptziel ist,  die Versorgung mit Trinkwasser flächendeckend zu gewährleisten. Angekündigte Maßnahmen hierfür sind beispielsweise die Erarbeitung bundesweiter Leitlinien für den Umgang mit Wasserknappheit; grünere, weniger versiegelte Städte, die Wasser besser speichern und die Erstellung von Gefahren- und Risikokarten für Starkregen. Ein weiteres großes Anliegen ist der Bau von Verbundnetzen und Fernleitungen, die Wasser aus nassen Regionen Deutschlands in trockenere Gebiete befördern  sollen. Erste Maßnahmen sollen bis zum Jahr 2030 umgesetzt werden.9

Also alles in trockenen Tüchern?

Dennoch ist davon auszugehen, dass in Zukunft auch in Deutschland Nutzungskonflikte um die kostbare Ressource ausgetragen werden. Denn nicht die Privathaushalte, sondern die Industrie, Betriebe und Energieversorger verbrauchen am meisten Wasser. Als potentielles Beispiel für einen Nutzungskonflikt nennt Umweltministerin Steffi Lemke die Tesla-Werke im brandenburgischen Grünheide. Mitten in einer dürregefährdeten Region errichtet, verbraucht die Autofabrik so viel Wasser wie eine Kleinstadt mit 30.000 Einwohner:innen. Darüber hinaus kritisiert die NGO Campact, dass die Nationale Wasserstrategie nicht verbindlich regelt, dass nur so viel Grundwasser entnommen werden dürfe, wie nachgebildet würde.10 Jedoch scheint trotz zunehmender Wasserknappheit in Deutschland beziehungsweise trotz auftretender Verteilungsprobleme die Wasserversorgung und die davon abhängige Landwirtschaft sowie Industrie nicht in Gefahr. Anders stellt sich jedoch die Situation bei unseren europäischen Nachbar:innen dar.

Desertifikation im Süden Europas – wo führt das hin? 

Viele Regionen Frankreichs, Italiens und Spaniens leiden unter lang anhaltender Dürre. Eine Entspannung der Situation: nicht in Sicht. Bereits im April lagen in weiten Teilen Spaniens die Temperaturen mit fast 40 Grad um bis zu 20 Grad über denen, die das Land im Frühjahr normalerweise gewohnt ist. Ausbleibender Regen, zunehmende Waldbrände und ein zu hoher Wasserverbrauch rauben dem Land so sein Lebenselixier.11 

Zu viel Wasser wird vor allen Dingen in der Agrarindustrie verbraucht. 80 Prozent der spanischen Wasserressourcen werden hierfür verwendet, allen voran für die künstliche Bewässerung der Felder. Aus diesem Grund führen schon im Frühling viele Kanäle und Flüsse kaum noch Wasser. Der Grundwasserspiegel ist in manchen Regionen um mehr als die Hälfte gesunken, Stauseen drohen zu versiegen. Flora und Fauna lechzen nach Wasser. Sie sind gezwungen, sich auf verheerende Durststrecken einzustellen.12

Welche Konsequenzen bringt die Wasserknappheit mit sich? 

Dr. Andreas Marx, Leiter des Dürremonitors Deutschland am Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung in Leipzig, zeichnet ein düsteres Bild. Er geht davon aus, dass in wenigen Jahrzehnten Landwirtschaft, wie sie heute im Mittelmeerraum betrieben wird, nicht mehr möglich sein wird. Als Gründe nennt er, dass wie vielerorts auch im Mittelmeerraum Wasser schon heute nicht nachhaltig genutzt würde, Hitzewellen intensiver und die Niederschläge dort in den nächsten Jahren im Vergleich zu Deutschland ab und nicht zunehmen würden.13 

Dass die betroffenen Länder sich mit dieser Problematik auseinandersetzen, liegt auf der Hand. Unklar bleibt jedoch, in welchem Maße die Effekte eines an klimatische Bedingungen angepassten Wassermanagements und  veränderte Anbauformen wirksam sein werden. Allerdings ist anzunehmen, dass sich die Wasserknappheit unserer europäischen Nachbar:innen auch bei uns bemerkbar machen wird. In Zukunft werden wir wahrscheinlich nicht wie gewohnt ganzjährig auf jegliche in Südeuropa kultivierte Agrarerzeugnisse zurückgreifen können. Inwieweit müssen oder sollten Verbaucher:innen sich also umstellen und ihr Konsumverhalten verändern? Welche Verantwortung tragen Importländer dieser Produkte an der verheerenden Wasserknappheit im Mittelmeerraum? Wie weit wird die europäische Solidarität reichen, um dem Süden Europas aus seiner Notlage zu helfen? Welche Unterstützung kann geleistet werden? All diese Fragen drängen auf Antworten. Denn der Wettlauf gegen die Zeit hat längst begonnen und scheint kaum noch zu gewinnen zu sein.

sokra, 2023: https://sonjakrause-malerei.de

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