Alkohol

Volksdroge Alkohol: Sorglose Akzeptanz?

Vielerorts wurde das neue Jahr feierlich begonnen. Ein Kater am nächsten Morgen blieb dabei häufig nicht aus. Ein Denkanstoß für einen bewussteren Alkoholkonsum.

Der Sektkorken knallt, die Turmuhr schlägt zwölf, es klirren die Gläser. Das neue Jahr hat begonnen und für die meisten darf dabei das Anstoßen mit einem Gläschen Sekt nicht fehlen. Obwohl viele auf ein alkoholreiches Jahr zurückblicken können, bleibt es auch in der Silvesternacht häufig nicht nur bei einem Drink. 

Ob Geburtstag, Weihnachten oder ein fröhliches Beisammensein aus jeglichem anderen Grund, das Reichen von Alkohol scheint selbstverständlich und ist für manch eine:n gar ein Muss. Aber nicht nur zu besonderen gesellschaftlichen Anlässen greifen viele gern zum Glas. Trotz großer gesundheitlicher Risiken, scheint regelmäßiges Alkoholtrinken im Alltag normal und erfreut sich einer breiten Akzeptanz: 

Das Feierabendbierchen, aus dem auch schnell mal zwei oder drei werden, das Glas Wein, das nicht fehlen darf, um ein gutes Essen abzurunden oder der Schnaps im Nachgang, um einem Mythos glaubend die Verdauung anzuregen.1 Sogar das sogenannte „Binge-Drinking“2 beim Feiern, das sich großer Beliebtheit erfreut, wird selten kritisch hinterfragt oder nur müde als Dummheit belächelt. 

Der bittere Nachgeschmack: 

Dass der Konsum von Alkohol ein massives Gesundheitsrisiko darstellt und Ursache weitreichender psychosozialer Folgen sein kann, ist kein Geheimnis. Wie schädlich Alkohol jedoch sogar in geringen Mengen ist, wird häufig verdrängt oder relativiert. Kulturell verankerte Rituale, für wahr gehaltene Mythen3 sowie überzeugende Werbekampagnen der Alkohollobby leisten dabei ihren Beitrag.

Wie viel darf’s denn sein? 

Nur wer vollkommen abstinent ist, tut seiner Gesundheit einen Gefallen. Bereits bei einem täglichen Konsum von zwölf Gramm reinen Alkohols ist das Krankheitsrisiko für eine gesunde, erwachsene Frau signifikant erhöht. Der Schwellenwert für einen fitten, vollentwickelten Mann liegt bei 24 Gramm. Um eine Konditionierung zu vermeiden, die ein regelmäßiges Verlangen nach Alkohol auslöst, sollte darüber hinaus an mindestens zwei bis drei Tagen in der Woche vollkommen auf Alkohol verzichtet werden.4,5

Quelle: Stiftung Gesundheitswesen

Allerdings sorgt die in der Gesellschaft weit verbreitete unkritisch positive Einstellung zum Alkohol dafür, dass in Deutschland jährlich pro Kopf durchschnittlich rund zehn Liter reiner Alkohol konsumiert werden.6 Das entspricht 7900g.7 Besorgniserregend in diesem Zusammenhang ist, dass laut des Bundesministeriums für Gesundheit bei circa neun Millionen Menschen der 18- bis 64-jährigen deutschen Bevölkerung ein problematischer Alkoholkonsum vorliegt.8

Doch der individuelle Schaden lässt sich kaum in Zahlen bemessen. Denn viele Konsumierende haben weitreichende physische, psychische oder soziale Folgen in Kauf zu nehmen, die jedes Fünkchen Lebensqualität rauben können:

Ungesunder Alkoholkonsum kann nicht nur Bluthochdruck und Herz-Kreislauf-Störungen verursachen oder das Risiko eines Schlaganfalls erhöhen, sondern kann auch verantwortlich für Erkrankungen der Leber, der Bauchspeicheldrüse, des Herzens, des peripheren und zentralen Nervensystems sowie der Muskulatur sein. Außerdem gilt Alkohol maßgeblich als krebsauslösender Faktor. Besonders häufig begünstigt das regelmäßige Trinken alkoholischer Getränke Krebserkrankungen im Mund oder Rachen, in der Speiseröhre, im Dickdarm oder in der Brustdrüse.9 

Die Liste der mit Alkoholkonsum korrelierenden Krankheiten ist lang. Deshalb kurzum: Das Trinken von Alkohol ist für den ganzen Körper schädlich. 

Die Reaktion auf Alkohol ist allerdings nicht nur somatischer Natur: Auch die Psyche ist der Wirkung des Nervengifts ausgeliefert. 

In geringen Mengen scheint Alkohol die perfekte Droge zu sein: Er wirkt entspannend, angstlösend und stimulierend, sodass sich kurzfristig eine Verbesserung der Stimmungslage einstellt. Unsicherheiten und Ängste scheinen überwindbar. Negative Gefühle rücken in weite Ferne, Stress wird zum vergessenen Symptom.10

Langfristig betrachtet und in größeren Mengen konsumiert, wird Alkohol jedoch zum Gegner des psychischen Wohlbefindens. Psychische Erkrankungen wie Depressionen, Angststörungen, die Aufmerksamkeits-Defizit-Hyperaktivitäts-Störung (ADHS) oder Persönlichkeitsstörungen treten häufig mit übermäßigem Alkoholkonsum auf. Darüber hinaus sind Beeinträchtigungen des Bewusstseins, des Gedächtnisses oder des Denkvermögens keine Seltenheit.11

Wird aus empfundener Angst vor Ausschluss manchmal überhaupt erst zu einem alkoholischen Getränk gegriffen, kann dessen Konsum paradoxerweise genau zur Verwirklichung dieser Angst führen. Denn die durch übermäßigen Alkoholkonsum herbeigeführte Beeinträchtigung der Selbstkontrolle, nachlassende Kritikfähigkeit, Enthemmung sowie die Bereitschaft zu aggressivem Verhalten können ernsthafte Konsequenzen zur Folge haben.

Sachbeschädigung, sexuelle oder verbale Gewalt und Körperverletzung sind nur einige Delikte, die vermehrt unter Alkoholeinfluss stattfinden.12 Besonders Verkehrsunfälle sind häufig auf die eingeschränkte Wahrnehmungsfähigkeit, verlangsamte Reaktionszeit und beeinträchtigte Motorik alkoholisierter Menschen zurückzuführen.13

Auf Dauer fördert eine von Alkohol beeinflusste Persönlichkeit zwischenmenschliche Probleme im privaten Umfeld. Auch am Arbeitsplatz können Schwierigkeiten auftreten, die nicht selten mit einem Jobverlust einhergehen.14

Ein guter Vorsatz fürs neue Jahr: 

Auch wenn alkoholische Getränke sich großer Beliebtheit erfreuen und viele Trinkrituale fest in unserer Kultur verankert sind, sollten wir nicht vergessen, dass Alkohol ein Nervengift ist. 

Nicht nur die Wahrscheinlichkeit für das Auftreten zahlreicher somatischer Erkrankungen kann durch den Konsum von Alkohol vervielfacht werden. Auch die Prävalenz einiger psychischer Störungen im Zusammenhang mit gewohnheitsmäßigem Trinken ist signifikant.

Als Genuss- und Stimulationsmittel geschätzt, wird Alkohol zudem häufig getrunken, um Probleme zu vergessen oder um einem sozial empfundenen Druck nachzugeben. Denn in einer Gesellschaft, in der das Trinken von Alkohol verbreitet ist, kann es zermürben, wenig bis gar nichts zu trinken und das eigene Trinkverhalten regelmäßig erklären zu müssen.15

Neben der Reflektion der gesellschaftlichen Verankerung von Wein, Bier und Co könnte ein guter Vorsatz für das neue Jahr auch sein, den eigenen Alkoholkonsum zu hinterfragen. Schon ein bedachterer Umgang im Alltag oder ein „Nein“ bei der ein oder anderen Gelegenheit könnten eine Wohltat für die Gesundheit und ein langfristiges Wohlbefinden bedeuten.  

Darüber hinaus könnte auch die Allgemeinheit profitieren: Allein im Jahr 2021 fanden auf Deutschlands Straßen 32.453 Verkehrsunfälle unter Alkoholeinfluss statt.16 Außerdem gehen knapp sechs Prozent der Krankenhausaufenthalte der zwischen 15- und 64-Jährigen ganz oder teilweise auf den Konsum von Alkohol zurück.17 So entstehen durch Alkoholmissbrauch in der Bundesrepublik pro Jahr volkswirtschaftliche Kosten von circa 57 Milliarden Euro.18

Alkohol
Sokra, 2022: https://sonjakrause-malerei.de

1  https://www.gasteo.de/magazin/hilft-alkohol-der-verdauung/

2 https://www.dhs.de/suechte/alkohol/risiken
Als „Binge-Drinking“ bezeichnet man einen größeren Konsum von Alkohol pro Trinkgelegenheit. Für Männer trifft diese Bezeichnung bei einer Einnahme von mindestens fünf Gläsern mit je etwa zehn Gramm Alkohol während einer Trinkepisode zu. Das sind etwa 1,25 Liter Bier oder 0,6 Liter Wein. Bei Frauen spricht man schon ab vier Gläsern vom „Binge-Drinking“. Das entspricht ungefähr einem Liter Bier beziehungsweise einem halben Liter Wein.

3 https://www.dhs.de/fileadmin/user_upload/pdf/Broschueren/FS_Alkohol_Mythen_Meinungen.pdf

4  https://www.dhs.de/suechte/alkohol/risiken

5 https://www.stiftung-gesundheitswissen.de/wissen/risikofaktor-alkohol/hintergrund#was-sind-moegliche-folgen-von-andauerndem-alkoholkonsum

6  https://www.bundesgesundheitsministerium.de/service/begriffe-von-a-z/a/alkohol.html

7  https://www.drugcom.de/haeufig-gestellte-fragen/fragen-zu-alkohol/berechnung-alkohol-in-gramm/

8 Ebd.

9  https://www.dhs.de/suechte/alkohol/risiken

10 https://www.stiftung-gesundheitswissen.de/wissen/risikofaktor-alkohol/hintergrund#was-sind-moegliche-folgen-von-andauerndem-alkoholkonsum

11 https://www.stiftung-gesundheitswissen.de/wissen/risikofaktor-alkohol/hintergrund#was-sind-moegliche-folgen-von-andauerndem-alkoholkonsum

12 https://im.baden-wuerttemberg.de/fileadmin/redaktion/m-im/intern/dateien/publikationen/Literaturanalyse.pdf

13 https://www.stiftung-gesundheitswissen.de/wissen/risikofaktor-alkohol/hintergrund#was-sind-moegliche-folgen-von-andauerndem-alkoholkonsum

14 Ebd.

15 https://www.gesundheitsinformation.de/acht-fakten-ueber-alkohol.html

16 https://de.statista.com/statistik/daten/studie/459049/umfrage/anzahl-der-alkoholbedingten-verkehrsunfaelle-deutschland/

17 https://www.stiftung-gesundheitswissen.de/wissen/risikofaktor-alkohol/hintergrund#was-sind-moegliche-folgen-von-andauerndem-alkoholkonsum

18  https://www.bundesgesundheitsministerium.de/service/begriffe-von-a-z/a/alkohol.html

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