„Hey du, darfst du wirklich kein Wasser trinken? Auch nicht tagsüber? Gar keine Ausnahmen? Aber … mach doch einfach den Rollladen runter, dann sieht dein Gott nicht, dass du das Fasten brichst.“
Auch wenn überspitzt formuliert: So in etwa dürften in Deutschland bereits einige Konversationen während des Ramadan abgelaufen sein. Denn der Begriff und die Zeit des Ramadan sind in Deutschland häufig begleitet von Unwissenheit. Unwissenheit der nicht-muslimischen Gesellschaft gegenüber dem wichtigsten Monat im islamischen Kalender.
Dieser Beitrag erklärt daher die wichtigsten Hintergründe und Regeln des Ramadan – damit beim nächsten Aufeinandertreffen mit fastenden Muslim:innen, der Gesprächseinstieg besser gelingt.
Aufklärung für einen sensiblen Umgang im Miteinander
Bekanntermaßen ist Unwissenheit elementarer Bestandteil des Lebens, das Unbekannte für viele eine Faszination. Und sowohl das Vorhandensein von Neugier als auch das Bedürfnis, Fragen zu stellen, sind wichtige Eigenschaften, die für ein respektvolles Miteinander in einer multikulturellen und -religiösen Gesellschaft erforderlich sind. Doch egal, ob Rassismus, sexuelle Orientierung oder religiöse Riten Gegenstand der eigenen Unwissenheit sind, teilweise kann es – glaubt man Angehörigen von Minderheiten – eine Zumutung sein, als lebendiges Lexikon über die eigenen Erfahrungen, Befindlichkeiten, Bedürfnisse oder Verhaltensweisen dienen zu müssen. Dies gilt umso eher, je häufiger eine Person um Auskunft zur eigenen Herkunft, zur gelebten Sexualität oder über den eigenen Glauben gebeten wird.
Als „unwissende“ Person, oftmals selbst Teil einer gesellschaftlichen Mehrheit, kann man einer solchen Einstellung mit Akzeptanz und Verständnis begegnen oder sie ignorieren. Die dahinterstehende Frage lautet: Wessen Verantwortung ist es, das Bedürfnis nach Antworten zu stillen?
„Checkliste Ramadan“
Das ana magazin möchte qua Gründungsvision vorangehen und in andere Welten eintauchen, die fernab der eigenen sozialen, kulturellen und religiösen Blase existieren. So wollen wir gesellschaftliche Brücken bauen. Daher hier die wichtigsten Hintergründe zum Ramadan.
Ramadan ist der neunte Monat des islamischen Mondkalenders. Er ist der Fastenmonat im Islam, mit dem gläubige Muslim:innen entsprechend Sure 2, Vers 185 und Sure 97 die Herabsendung des Koran gewürdigt wird.
Das Fasten im Ramadan stellt eine der fünf Säulen des Islam dar. Diese versinnbildlichen die Hauptpflichten, die Muslim:innen durchführen – als eine Form des Gottesdiensts.
Das Fasten wird gläubigen Muslim:innen im Koran vorgeschrieben ( Sure 2, Vers 183):
”Ihr Gläubigen! Euch ist vorgeschrieben, zu fasten, so wie es auch denjenigen, die vor euch lebten, vorgeschrieben worden ist. Vielleicht werdet ihr gottesfürchtig sein. (Das Fasten ist) eine bestimmte Anzahl von Tagen (einzuhalten).”
Das Fasten soll um Gottes (Allahs) Willen geschehen und gehört zur Tradition des Propheten Muhammad. Somit hat es einen besonders hohen Stellenwert im Islam.
Die weiteren vier Säulen des Islam sind: Das Bezeugen der Einheit Gottes und der Prophetenschaft Muhammads, das täglich fünfmalige Gebet, die Wallfahrt nach Mekka und das Entrichten der Zakat (Zakat beschreibt eine Geldabgabe. Als Zakat wird ein Anteil von 2,5 Prozent des Vermögens abgegeben).
Während des Ramadan müssen Muslim:innen von Beginn der Morgendämmerung bis zum Sonnenuntergang fasten.
Das Fasten wird einmal als “äußeres” und andererseits als “inneres” Fasten verstanden: Unter dem äußeren Fasten wird der Verzicht auf Essen, Trinken sowie sämtliche andere Genussmittel verzichtet. Auch der Konsum von Zigaretten oder Sex mit dem Ehepartner sind daher nicht erlaubt. Die innere Seite des Fastens beschreibt den “Verzicht” von nicht-materiellen Dingen. So sollen Muslim:innen während des Ramadan noch mehr als sonst darauf achten, sich von Sünde freizuhalten: Hierunter kann beispielsweise gezählt werden, nichts schlechtes über andere zu denken oder zu reden. Hierin wird deutlich, dass der Ramadan ein Monat der Besinnlichkeit und der Zukehr zu Gott ist.
Auch kein Wasser!
Auch das ist nicht erlaubt.
Alle Muslim:innen, die gesund sind und durch das Fasten keine gesundheitlichen Einschränkungen zu erwarten haben, sind laut Koran dazu angehalten, zu fasten. Kinder werden ermutigt, das Fasten auszuprobieren und sich in ihrem möglichen Rahmen daran zu beteiligen. Ab der Pubertät unterliegt man streng genommen der Pflicht zu fasten.
Ja. Vom Fasten ausgenommen sind Kranke, Senior:innen, Reisende, Schwangere oder Stillende. Sie sind jedoch angehalten, die Fastentage zu einem späteren Zeitpunkt nachzuholen oder für jeden versäumten Fastentag einen Bedürftigen mit Essen zu versorgen. Diesen Brauch nennt man Fidya oder Kaffara.
Iftār, arabisch für Fastenbrechen, ist das Mahl, das während des Ramadan von Muslim:innen nach Sonnenuntergang jeden Abend zu sich genommen wird. Damit stellt das Fastenbrechen während des Ramadan mit dem Abendgebet bei Einbruch der Dunkelheit den abendlichen Abschluss eines Fastentages dar.
Gewöhnlich wird der Fastentag mit einer Dattel oder einem Schluss Wasser beendet, während ein Bittgebet des Propheten Muhammad gesprochen wird. Anschließend folgt das Abendgebet sowie das eigentliche Mahl mit zahlreichen Speisen, das nicht selten in der Gemeinschaft mit Freunden, Familie und Bekannten zelebriert wird.
Der islamische Kalender ist ein reiner Mondkalender, dessen Monate aus 12 Mondmonaten zu 29 oder 30 Tagen bestehen. Ein Jahr des islamischen Mondkalenders ist daher ca. 10 – 12 Tage kürzer als ein Sonnenjahr der christlichen Zeitrechnung. In der Folge beginnt der Ramadan jedes Jahr genau diese 10 – 12 Tage früher als im Jahr zuvor.
Dementsprechend dauert der Ramadan 29 oder 30 Tage. Im Jahr 2023 beginnt er am 22. März und endet am 21. April.
Da der islamische Kalender als Mondkalender weniger als 365 Tage im Jahr hat (Durchschnittlich 354,3), verschieben sich Beginn und Ende des Ramadans von Jahr zu Jahr im gregorianischen Kalender. Ursprüunglich beginnt der Ramadan laut Koran, wenn die erste Neumondsichel (hilal) nach dem Neumond gesichtet wird.
Mit dem Beginn des zehnten Monats “Schawwal”, der mit der erneuten Sichtung der Mondsichel nach 29 oder 30 Tagen festgestellt wird, endet der Ramadan.
Mit dem Ende des Ramadans feiern Muslim:innen das Fest des Fastenbrechens. Je nach islamischen Land variiert die Bezeichnung für das Fest. Häufige Bezeichnungen sind “kleines Fest”, “Zuckerfest” oder “Großer Tag des Fastenbrechens”. Die Festlichkeiten beginnen mit dem obligatorischen Gemeinschaftsgebet. Das Fest des Fastenbrechens wird über drei Tage gefeiert.
Wertschätzende Fragen im Fastenmonat
„Hey du, darfst du wirklich kein Wasser trinken? Auch nicht tagsüber? Gar keine Ausnahmen? Aber … mach doch einfach den Rollladen runter, dann sieht dein Gott nicht, dass du das Fasten brichst.“
Mit dem jetzt erlangten Grundwissen, wirken diese bereits eingangs erwähnten Fragen plötzlich verfehlt und der Bedeutung des Ramadan unangemessen. Gleichzeitig gibt es so viele spannendere und zusätzlich von Respekt für den Ramadan zeugende Fragen, die fastenden Muslim:innen stattdessen gestellt werden können – als Zeichen, dass man um die Bedeutung des Fastenmonats für Gläubige weiß. Als Zeichen der Anerkennung, dass der Islam zu Deutschland gehört und gemeinsam mit den ca. 5,3 Millionen Muslim:innen Teil unserer Gesellschaft ist. Und als Zeichen des Aufeinanderzugehens, für ein bewussteres Miteinander in einem interkulturellen und -religiös geprägten Land.
Wir vom ana magazin werden bei der nächsten Begegnung mit Muslim:innen folgende Fragen stellen:
- Wie geht es dir mit dem Fasten?
- Zum wievielten Mal fastest du bereits?
- Erkennst du einen Unterschied zu deinem ersten Fastenmonat?
- Was ist für dich das Schöne an der Fastenzeit?
- Was ist das Schöne am Fastenbrechen?
- Was verändert sich für dich im Alltag durch das Fasten?
- Kann ich dich unterstützen, z.B. bei alltäglichen Erledigungen?
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