Liebeserklärung an: Kopenhagen

– oder auch: entspannte lässigkeit.

Kopenhagen ist nicht sexy, nicht zügellos und nicht rauschendes Spannungsfeld – ein Freund meinte mal passender: „In Kopenhagen kann man wohl einfach keinen Stress empfinden.“

Zugegebenermaßen: Das ist wohl ein sehr kleiner Ausschnitt der touristischen Perspektive auf das Erleben dieser Stadt. Und doch: Irgendwie zutreffend. Kopenhagen strahlt eine lässige Leichtigkeit aus, in der sich gefühlt niemand so richtig ernst nimmt – auf angenehme Art und Weise. Gründe für Hochmut ließen sich eigentlich leicht finden: Skandinavisches Design findet wohl selten einen so großen Höhepunkt und ein so bedeutendes Epizentrum wie hier. Kopenhagen ist vielfältig ausdrucksstark. Die Showrooms von Marken wie Muuto und HAY Design platzen vor lauter Formen und Farben. Immer stilvoll, immer mit Klasse. Reduzierter Ausdruck und koloristisches Finetuning – selten so vollendet wie hier zu sehen. Man fühlt sich wie in einer Filmkulisse, steht man in diesen Welten. Vor den Filialen von PRADA und Louis Vuitton stehen Schlangen von Menschen, die sich in die formvollendeten Shops aus Marmor, Glas und Extravaganz schieben wollen, um ihr Stück der schönen Welt zu ergattern. 

Und hier hört es nicht auf: Kopenhagen ist außerdem innovativ-modern. Architektonisch beherbergt die Stadt einige der weltweit führenden Büros unserer Zeit. Egal, ob ein Skyscraper in Singapur, ein Wohnraum-Projekt in Berlin oder eine Konzerthalle in Übersee – du willst es? Du bekommst es. Modernste Technik und Ideen sind im Preis inbegriffen, der die Weltwirtschaft und Geld in das Flair der Hauptstadt mischt. Kopenhagen ist außerdem Business. Doch nie zu reichhaltig. Die Kunst und die Kultur finden immer einen großen Platz im Raum in und um Kopenhagen, denn: es ist kulturell. Mit dem Zug leicht erreichbar liegt beispielsweise das Louisiana Museum of Modern Art, ein Gebäude mit Weltruf und Kunstwerken, die ihresgleichen suchen. Giacometti mal 28, zum Anfassen nah. Der Kapitalismus ist hier weit entfernt. Direkt am Meer gelegen, überblickt man gerne mal das Wasser, während die Augen sich sammeln, um wieder einzutauchen in kreative Vollendungen des künstlerischen Ausdrucks von menschlicher Erfahrung. In der Ferne springen Menschen von einem Steg ins Wasser, im Museum Menschen vor Erleben und Gefühl in die Kunst. Wellen rauschen über den groben Steinstrand. Zurück in der Stadt: Tritt man heraus aus den Zentralen der Gestaltung und der Kunst, kommen einem immer Licht und Wasser entgegen. Die Stadt liegt auf zwei küstennahen Inseln, die mit dem Festland verbunden sind. Das Meer zwischen Schweden und Dänemark durchströmt die Stadt in Kanälen und bringt Salzwasser und Möwengeschrei.

Das Stadtbild und die bedeutenden Plätze werden von alten Steinbauten dominiert, die Geschichte und Tragkraft ausdrücken. Nordischer Stoizismus, unaufgeregter Umgang mit dem zeitlichen Verlauf der Dinge. Jedoch legen die Gebäude ihre Wucht ab durch den Raum, den die Stadt ihnen gibt. Und das niemals gezwungen, immer freiwillig. Trotz Historie und Bedeutung ist dadurch alles friedlich. Durchbrochen wird diese leichte Schwere dunklen Steins immer wieder von Designbauten, die Form und Funktion meisterlich verbinden – egal, ob es sich um ein Museum, eine Brücke oder ein Theater handelt. Weite Plätze voller Luft nähren eine Atmosphäre der Offenheit, die einen immer wieder ein wenig tiefer durchatmen lässt. Kopenhagen ist freiheitlich öffnend und geöffnet, Vorgang und Zustand zugleich. Nirgendwo wirkt ein Winkel verschlossen oder versteckt, die Stadt flutet seine Straßen mit Leben. Bebaumte Adern aus Natürlichkeit durchziehen ein maritimes Flair, weswegen immer irgendwo Grün auf Blau trifft. Wenn man möchte, kann man durch die Stadt von einem Park zum nächsten schlendern, ohne jemals ein Dach aus Blättern über sich zu verlieren. In jeder Oase aus Grün sind Skulpturen zu finden. Und wenn man möchte, kann man innerhalb von 20 Minuten aus der Innenstadt heraus am Meer sein.

Ein Dach über dem Kopf kann man mitunter auch gut gebrauchen. Die Stadt ist nämlich entfernt davon, ein wetterliches Paradies zu sein: Der Himmel hat seine Lieblingsfarben in hellem Grau und nieselndem, zarten Blau gefunden. Wenn in Deutschland mitunter schon Temperaturen über 30 Grad auf den Asphalt brennen, laufen die Menschen in Dänemark mit Schirm und langer Hose durch die Straßen. Und sie lieben es. Ab 20 Grad springt man bereits ins Wasser, egal ob in den Kanal oder an einem der Strände um die Stadt herum. T-Shirt-Wetter hat dann Einzug gehalten. Kopenhagen ist maßvoll, in vielerlei Hinsicht. Vielleicht kühlt das Wetter die Gemüter der Menschen im Allgemeinen. Gibt es diese Relation aus klimatischer Situation und menschlichem Wesen? Dagegen würde sprechen, dass die Kopenhagener:innen bei einer Sache gerne mal ungehalten werden: dem Fahrradfahren. Was dem Deutschen seine Autobahn, ist dem Dänen sein Fahrradweg. Radelt man hier touristisch-beschwingt durch die überall perfekt radfreundlich ausgebauten Straßen, sitzt einem schnell eine Klingel im Nacken. 

Und doch: Das mitunter drückend-aufdringliche Gefühl einer europäischen Hauptstadt bekommt man hier nicht. Kopenhagen ist nicht glamourös wie Paris, flimmernd-lebendig wie London oder party-hip wie Berlin. Kopenhagen ist eine Welthauptstadt des Designs, ohne es vor sich zu tragen, ein tiefer Ort der Ruhe, ohne sich dafür anzustrengen – und ein sprudelnder, unaufgeregter Ort der Kreativität. Kunst hat hier seine Heimat, das Schaffen formenden Ausdrucks sein Ziel. 

In der Stadt trifft wahrscheinlich in diesem Moment ein Mensch eine Entscheidung, hat eine Idee, die sich in Form gießen lässt. Gleichzeitig sitzt ein Mensch am Wasser, schaut über die Wellen und ist friedlich. An diesem Ort besteht die Chance, dass es derselbe Mensch ist. Kopenhagen ist lässige Schönheit, unaufgeregte Leichtigkeit mit Stil. Kopenhagen ist so vieles auf einmal. Ich mag es hier.

Weite Räume unter
blauen Strahlen.
Wo Menschen leichter wirken
und mein Innerstes zur Ruhe kommt.
Fließen, hin zum Meer.
Alles mündet dort.
Der Himmel reißt auf und
Licht.
Wir sitzen einfach da, der Dunst
zieht um uns herum
und ich bin glücklich.

– Florian Lipp, 20.06.2022
© Sokra 2022, https://sonjakrause-malerei.de/

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