Liebeserklärung an: die Freundschaft

Alle diese Schnipsel erzählen von Liebe. Keiner davon spricht von Romantik. Alle Situationen handeln von Menschen, die für mich da waren – unabhängig von Verlangen und Selbstzweck. Vom gemeinsam Menschsein.

Es ist vorbei, und es tut so weh wie damals. Wellen von allem, was Schmerz bedeutet, branden durch meinen Kopf und unterspülen alles, was standfest ist. Wogende Gewalt der Welt. Und du bist da. Abermals werde ich gehalten von Händen, die nicht meine sind, stützende Pfeiler. Von Liebe bewegt. 

Ich stehe am Bahnhof und warte auf mich. Die Zeit ist relativ um mich herum, verrinnt wie eine Spur in der Wüste, umtost von Stürmen. Plötzlich, mein Handy leuchtet. Meine Augen mühen sich zum Licht – und finden deine Worte. Du sprichst von Stärke, Größe und Schönheit, und du meinst mich damit. Durch dich ist in mir ein wenig mehr Leben zurückgekehrt. Das Display in meiner Hand ist nicht mehr das Einzige, das im Dunkeln leuchtet. 

Dein Gesicht nimmt meinen Bildschirm ein, genau wie es in meinem Herzen ist. Mitgefühl und Zuneigung strahlst du aus, ohne etwas zu sagen. Auf Abruf Liebe, nur für mich. Ohne, dass du etwas dafür möchtest – einfach nur, weil du mich magst. 

Mein Kopf fühlt sich an, als würde er nicht mehr wissen, wo der Wahnsinn beginnt. Die Gegner sind meine Gedanken, und sie kämpfen sehr präzise. Wie ferngesteuert fühle ich mich, gebe allem nach, was mich so schleudert. Eine Achterbahn aus Wucht fährt direkt durch mich durch, mit allem an Bord, das schmettern kann. Irgendwann steige ich in dein Auto. Wir müssen nicht reden, sagst du und hältst meine Hand. Ich rolle mich ein und schließe die Augen. Ich fühle mich geretteter. Noch nicht sicher, aber in der Richtung dorthin. Du schenkst mir einen liebevollen Raum, der völlig frei von Erwartung ist. Ich darf dort ankommen – egal ob kriechend, tanzend oder mit dem Kopf in den Wolken. Du schenkst mir eine Sicherheit, die mich in den Arm nimmt. Von Schönheit gemalt, jeder Pinselstrich so sanft. Wir kommen bei dir an und reden. Die Arbeit morgen ist nicht wichtig, Schlaf ist egal. Ich bin hier. Ich darf Raum einnehmen – Räume streichen mit rot und schwarz, während du da bist und mit mir eine Palette aus Schmerz betrachtest. Ich darf sein, und das ist so wunderschön. Du drängst mich nirgendwo hin, dir geht es nicht um dich. Du erinnerst mich, was es bedeutet, ich zu sein.

Ich sitze auf deinem samtgrünen Lieblingssessel und schaue dich an. Du sprichst davon, wie besonders ich bin und wie weit ich gekommen bin. Das Trivial Pursuit-Spiel, Harry Potter Edition, liegt auf dem Boden. Natürlich habe ich gewonnen. Immer noch ungeschlagen. Du steigst gemeinsam mit mir hinab in Tiefen meines Lebens, die anzuschauen schrecklich sind. Vergangenes erklingt in mir, wie die Erinnerung an eine Katastrophe. Wie ein Sturm auf hoher See, in weiter Ferne zu sehen. Deine Stimme ist sanft und bedacht, und trotzdem strahlst du so viel Weite aus, dass ich mich selbst auf deiner Fläche verlieren darf. Dass ich ganz hier sein kann, erblühend auf der Leinwand, die du spannst. Deine Hand greift meine und drückt sie fest. Du sagst, dass Worte meine größte Stärke sind, und dass das Schlimmste, das ich tue, Briefe schreiben ist. Was für eine schöne Art und Weise, schlimm zu sein. Meine Tränen finden mich erneut, heiß und alt und doch ganz anders. Wie viel Talent in mir ist, wie viel Sanftheit, sagst du. Die Gewalt in mir kommt aus mir gegen mich, nirgendwo sonst hin. Und du nimmst all das, was aus mir quillt, siehst es an und sagst, was du dort siehst. Dein Blick wird mein Heilsbringer, meine kleine Bastion gegen alles, was wehtut. Der Besuch bei dir hat mich wieder frei gemacht. Ich durfte meine Dunkelheit verlieren, gehen lassen. Dadurch, dass ich dunkel sein durfte, hast du mich wieder hell gemacht. Alles wurde verändert, und dann hat sich alles geändert. Bei dir war der Startpunkt für mein größtes Glück. 

Auf unserer Bank haben wir einen guten Blick auf den dunklen Fluss. Das Glimmen in deiner Hand wandert in meine Richtung, ich nehme es und atme ein. Der Einschlag ist nicht lange her, du warst da. Ohne zu zögern haben mich deine Arme gehalten, so schnell bist du nach Hause gestürzt. Hast mir zugehört und tust es erneut. Wir sitzen nebeneinander, und der Nebel aus deinem Mund bildet kleine Kreise. Worte, die erkunden dürfen. Worte, die Sicherheit sind. Ich fühle mich sicher, darf ich sein. Auch, wenn ich mich gerade selbst nicht mag. Du sprichst davon, wie sehr du nicht verstehst. Wie sehr man mit mir wachsen kann. Ich erlaube mir zum ersten Mal, so etwas wieder zu glauben. 

Und dann bist da Du. Du warst schon immer da. Für mich bist du meine Lifeline. Niemand kennt mich wie du, niemand hat sich jemals so tief in mich gewagt. Bei niemandem habe ich es so zugelassen. Ich bin offen für dich – geöffnet, ohne etwas aufzustemmen. Als würden meine Grenzen verschwimmen, ein Übergang nicht existent. Du hilfst mir dabei, mich selbst zu lieben. Was für ein Geschenk. Durch dich mag ich mich selbst viel mehr. Dank dir mag ich uns zusammen so sehr. Dass ich dir so nah sein darf wie niemand sonst, ist mein größtes Geschenk.

Danke.

Sokra, 2023: https://sonjakrause-malerei.de

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