Fast Fashion: Alles hat seinen Preis!

– oder auch: Die Bedeutung der Dinge.

H&M, Zara, Bershka, Pull & Bear und Co. – wir alle haben wohl schon mal bei einer dieser Marken gekauft. Cool, günstig und mindestens für Basics eine gute Option, oder? Darüber lässt sich streiten. Denn: Fast Fashion (Kleidung, die schnell und billig produziert und verkauft wird) belastet unsere Umwelt enorm und erhöht den sozialen Druck immer im Trend der Zeit zu liegen. Bis zu 24 Kollektionen1 im Jahr geben dabei ein enormes Tempo vor – Ultra Fast-Fashion-Labels wie SHEIN, Asos, Bohoo veröffentlichen gar bis zu 4.500 neue Teile pro Woche2.

Das Ziel ist klar und sehr kapitalistisch: Das Schaffen von immer neuen, vermeintlichen Must-Haves und eine enorm hohe Frequenz neuer Teile, erhöhen auch die Frequenz der Einkäufe und spülen immer wieder neues Geld in die Kassen der Modeunternehmen. Dass die Qualität und Haltbarkeit der Kleidung dabei sehr begrenzt ist, passt ebenfalls in diesen Plan – werden schneller neue Kleidungsstücke benötigt, wird auch schneller wieder Geld bei den Fast-Fashion-Labels dieser Welt ausgegeben.

Billige Mode – Wer zahlt den Preis?

Das Ergebnis: Zara und H&M gehören zu den 10 wertvollsten Bekleidungsmarken weltweit und machen jährlich einen enormen Gewinn3. Zudem besitzen einer Greenpeace-Umfrage zufolge 60% der Menschen in Deutschland zu viel Kleidung – jeder zweite sogar Kleidungsstücke, die er oder sie noch nie getragen hat. Ein Phänomen, dass den Überfluss in der westlichen Welt aufzeigt und eine Verschwendung wichtiger Ressourcen bedeutet. 

Die Probleme liegen auf der Hand. Den Preis, den die Konsumierenden sparen, zahlt, wie so oft, jemand anderes. In diesem Fall sind es die Näher:innen in oft ostasiatischen und afrikanischen Ländern, die zu schlechten Bedingungen produzieren (müssen), die Menschen, die unter unwürdigen Bedingungen Baumwolle ernten müssen4, sowie alle weiteren Akteur:innen in dieser intransparenten und unmoralischen Wertschöpfungskette5. Eines der vielen Beispiele für die fragwürdige Moral der Modebranche liefert die Baumwollproduktion in Usbekistan. 

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ZDFzoom, Ausbeutung und Umweltzerstörung bei der Baumwollproduktion, 20.01.2022.

Ein weiteres Opfer der Fast Fashion Industrie ist unsere Umwelt, die durch unsaubere Produktion und eine enorme Masse an Wegwerfmode mehr Müll zu verarbeiten hat. Selbst die Unternehmensberater:innen von McKinsey haben in einer aktuellen Studie ermittelt, dass die weltweite Fashion-Industrie für 4% der weltweiten CO2 Emissionen verantwortlich ist. Das entspricht etwa den kumulierten Treibhausgasen, die die Länder Frankreich, Deutschland und Großbritannien gemeinsam ausstoßen6. Den größten Anteil daran hat die (Ultra-) Fast Fashion Industrie. 

Auch gut gemeinte Spenden, getragener oder nicht verkaufter Fast-Fashion-Stücke helfen leider nicht. Im Gegenteil: Sie hemmen den Erfolg lokaler Projekte und der Textilindustrie in den Entwicklungsländern. Die Wegwerfmentalität des Westens hat dort nicht selten eine Umweltkatastrophe ausgelöst. Wie auch nicht, wenn beispielsweise in Accra, Hauptstadt Ghanas, wöchentlich 15 Millioinen Kleidungsstücke aus dem Westen eintreffen – bei einer Gesamtbevölkerung von 31 Millionen Menschen. Kein Wunder, dass dort täglich mehrere Tonnen Kleidung auf Müllhalden erst am und dann im Meer landen7.

Faire Mode – Eine soziale Frage?

Bei der Diskussion um nachhaltige Mode ist auch klar, dass wirtschaftlich schwache Gesellschaftsgruppen sich schwer tun, viel Geld für Kleidung auszugeben und aus guten Gründen auf günstige, austauschbare und fragwürdig produzierte Mode zurückgreifen. Hier wäre jedoch zu klären: Ist es nicht langfristig günstiger, qualitativ hochwertige Mode zu kaufen und dafür seltener Geld für Kleidung auszugeben? Und: Muss es, unabhängig der sozialen Schicht, immer die neuste Kollektion sein?

Wir sind als Gesellschaft gefragt, den sozialen Druck nach immer neuer Kleidung zu regulieren und soziale Teilhabe nicht über die Mode und Kleidung zu definieren. Denn nicht nur wirtschaftlich schwache Menschen nutzen Fast Fashion-Angebote, auch die Menschen, die finanziell in der Lage wären, diese zu umgehen, kaufen aufgrund anderer Prioritäten oder den günstigen Preisen dennoch Fast Fashion – ohne Rücksicht auf die Umwelt und die benachteiligten Akteur:innen in der beschrieben Wertschöpfungskette. 

Der Sinn der Dinge

Ein weiterer Effekt von Fast Fashion: Die einzelnen Kleidungsstücke werden durch ihre massenhafte Produktion und Austauschbarkeit bedeutungslos – wie so vieles, das im Überfluss vorhanden ist. Aber ist es nicht viel schöner, den Dingen einen tieferen Sinn zu geben? Ein Mitbringsel aus einer fernen Stadt, die handgefertigten Kleider einer aufstrebenden Designerin, das Second-Hand-Hemd, dem wir ein zweites Leben schenken oder das nachhaltige Shirt, das allen in der Wertschöpfungskette eine faire Bezahlung ermöglicht. 

Wir geben den Dingen ihren Wert – und gerade knappe Güter und diese, die für uns Erinnerungen hervorrufen, sind für uns besonders. Wollen wir also jedes Jahr neue Klamotten haben oder vielleicht doch den einen Hoodie, in dem wir schon so viel erlebt haben und der uns schon auf so vielen Wegen begleitet hat? Lasst uns keine Wegwerfgesellschaft mehr sein, sondern an Dingen festhalten und für sie den Preis bezahlen, den sie verdienen – und das weit über die Kleidung hinaus.

Den Dingen einen Sinn geben, ist dabei eine Übung, die nicht nur auf Kleidung beschränkt ist. Dies gilt für alle Güter, die in irgendeiner Weise produziert werden ebenso wie für unsere Mitmenschen. Soll immer alles austauschbar sein? Ohne Commitment? Oder ist es nicht auch schön, lange Wege gemeinsam zu gehen? Freundschaften oder Beziehungen, die über lange Zeit und über viele Lebensphasen hinweg funktionieren. Autos, die wir fahren, bis sie auseinanderfallen oder auch Dienstleistungen, die wir für einen fairen Preis beziehen, statt immer der vermeintlich günstigsten Möglichkeit hinterherzulaufen. 

Ein bisschen minimalistisch vielleicht, ja. Aber die Menschen, unsere Umwelt und wir selbst werden es danken. Niemand will austauschbar sein, sondern Wertschätzung erfahren. Also geben wir den Dingen ihren Wert zurück – entsprechend den Ressourcen, die sie verbrauchen und entsprechend dem Wert, den sie für uns haben.

© Sokra 2022, https://sonjakrause-malerei.de/

1 romero initiative, Fast Fashion: Desaster für die Umwelt. Ábrufbar unter: https://www.google.com/url?q=https://www.ci-romero.de/kritischer-konsum/produkte/kleidung/fast-fashion/&sa=D&source=docs&ust=1660158722986847&usg=AOvVaw1LwjHd5pEj3AozdeZ37fyy (Abrufdatum: 11.08.2022).
2 Spiegel Wirtschaft, Ultrafast Fashion: Wo Zara und H&M zu langsam sind, 20.10.2019. Abrufbar unter: https://www.spiegel.de/wirtschaft/unternehmen/ultrafast-fashion-wenn-zara-und-h-m-zu-langsam-sind-a-1290385.html (Abrufdatum: 11.08.2022).
3 statista, Markenwert der wertvollsten Bekleidungsmarken weltweit im Jahr 2022. Abrufbar unter: https://de.statista.com/statistik/daten/studie/187010/umfrage/ranking-der-wertvollsten-modemarken/ (Abrufdatum: 11.08.2022).
4 Deutschlandfunk, Baumwolle aus Usbekistan: Ohne Kinderarbeit Richtung Westen, 25.01.2022. Abrufbar unter: https://www.deutschlandfunkkultur.de/usbekistan-baumwolle-kinderarbeit-100.html (Abrufdatum: 11.08.2022).
5 Fairlierer, Was ist eigentlich die textile Kette? 01.08.2020. Abrufbar unter: https://fairlier.de/wissen/die-textile-kette-eine-kleine-weltreise/ (Abrufdatum: 11.08.2022).
6 McKinsey, Fashion on Climate, 2020. Download unter: https://www.google.com/url?q=https://www.mckinsey.com/~/media/McKinsey/Industries/Retail/Our%2520Insights/Fashion%2520on%2520climate/Fashion-on-climate-Full-report.pdf&sa=D&source=docs&ust=1660158722986342&usg=AOvVaw2cwDOT1WD319eNR5SacmAv (Abrufdatum: 11.08.2022).
7 GEO, Müllkippe des Westens, 03.02.2022. Abrufbar unter: https://www.geo.de/natur/nachhaltigkeit/in-afrika-tuermen-sich-die-berge-von-altkleidern-31594080.html (Abrufdatum: 11.08.2022).

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