Der Krieg in der Ukraine hat den Frieden in Europa erschüttert. Auch wenn es nicht der erste oder der längste Krieg der vergangenen Jahre auf europäischen Boden ist, so ist es doch der, der am heftigsten bebt. Die Gefahr eines dritten Weltkriegs wird von russischer und westlicher Seite als „real“ eingeschätzt und jede Waffenlieferung ist ab jetzt ein Drahtseilakt entlang roter Linien, die von Russland als Kriegsbeitritt gewertet werden könnten.
Ein Szenario, dass bis vor kurzem noch unvorstellbar schien. Der Frieden in der Festung Europa schien sicher und keine Auseinandersetzung so schwer, dass sie nicht auf diplomatischem Wege zu lösen sei. Rufe nach Abrüstung wurden lauter, die Wehrpflicht abgeschafft, Bunker geschlossen und alles auf eine friedliche Zukunft ausgerichtet. Doch der 24.02.2022 änderte alles – “wir sind heute in einer anderen Welt aufgewacht”, sagte Außenministerin Annalena Baerbock und Finanzminister Christian Lindner sieht mit dem Beginn des Krieges das Ende eines „selbstgerechten Traums“ des Westens.
Doch was ist übrig geblieben vom Pazifismus des 21. Jahrhunderts? Und wie weit darf oder muss man militärisch gehen? Darüber streitet auch Deutschland – und deutsche Prominente wie Alice Schwarzer, Lars Eidinger und Ranga Yogeshwar warnen vor der Lieferung schwerer Waffen an die Ukraine. Auch wenn sie dafür teils harte Kritik ernten, legen auch Umfragen nahe, dass sich die Deutschen zwischen moralischer Pflicht und Angst vor dem Krieg unsicher sind. Und so bestimmt die Unsicherheit, wie viel der eigenen Freiheit man für die Ukraine zu opfern bereit ist, den öffentlichen Diskurs. Eine schwierige Frage mit legitimen Ängsten, Überzeugungen und Meinungen auf beiden Seiten. Nicht zuletzt bezeichnete auch Wirtschaftsminister Habeck “jede Entscheidung, schwere Waffen zu liefern” als “Niederlage”.
Doch wenn wir aus der aktuellen Lage eines definitiv lernen können, dann ist es, dass Frieden immer nur als beidseitige Vereinbarung funktioniert und offensichtlich einseitig aufkündbar ist. Durch diese Erkenntnis muss auch der Pazifismus seine Grenzen kennen, ohne die Bestrebungen nach einer friedlichen Welt zurückzustellen. Aber solange nicht alle politischen Akteure den Traum einer friedlichen Zukunft teilen, scheinen alte Sätze, wie der von Helmut Kohl (“Freiheit muss verteidigt werden”) noch ihre Geltung zu haben und Frieden nur mit einem starken Militär zu sichern zu sein – so schön die Vorstellung einer Welt ohne Waffen und Gewalt auch wäre.
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